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MÄRCHENHAFTES

DIE WILDEN SCHWÄNE

Einmal abgesehen davon, dass das Mädchen Elise schon im zarten Alter von sechs Jahren ein Tablet bekam (ein "Buch", das sie aufschlug und die Figuren darin waren "lebendig"), hatte sie noch zwölf Brüder, die waren von der Stiefmutter verwunschen worden: nur nachts waren sie Menschen, am Tag flogen sie als Schwäne herum, im Winter mussten sie über das Meer in den Süden. Das Mädchen sollte selbst ebenfalls Opfer der Stiefmutter werden, doch der böse Zauber wirkte nicht. So wurde sie mit anderen Tricks vom Königshof (natürlich war sie eine Königstochter) verjagt, erfuhr von  der Existenz ihrer Brüder, machte sich auf sie zu erlösen. Im Traum zeigte ihr eine alte Frau den Weg: schweigend aus Nesseln (Brennesseln) Hemden wirken, zwölf Stück. Ein König findet sie im Wald, nimmt sie mit nach Hause, macht sie zu seiner Frau. Doch ihr Treiben ist ihm und dem Bischof suspekt, letztere flüstert ihm ein, sie sei eine Hexe. Da sie sich nicht verteidigt (sie muss ja schweigen, um ihre Brüder nicht zu gefährden, aber wer hätte ihr die Story schon geglaubt - sie hatte ja gar keine Chance angesichts der Anschuldigungen), wird sie zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Im letzten Augenblick kommen die Brüder hinzu, sie kann die Hemden (eines ist noch nicht ganz fertig) über sie werfen und sie erlösen. Nun ist sie selbst gerettet.

In dem Märchen ist sehr viel Symbolik, doch ich will hier nur auf die Arbeitssymbolik hinweisen. Unbeirrbar, zielgerichtet, unter allen Strapazen, einsam, verdächtigt, gequält und schließlich mit dem Tod bedroht setzt sie ihre Arbeit bis zur letzten Minute fort. Sie fragt  nicht nach Anerkennung durch ihren Mann und die Öffentlichkeit oder nach Lohn - sie hat nur ein einziges Ziel vor Augen: die Rettung ihrer Brüder.

Das Ziel, das Ergebnis der Arbeit ist wichtiger als alles andere. Gute Arbeit zu leisten, ein ordentliches Endprodukt herzustellen,  sich auf den erzeugten Gebrauchswert des Produkts zu orientieren,  nicht auf einen persönlichen Gewinn,  bedeutet auch, dass man das Produkt dieser Arbeit sogar verschenken kann. Anders gesagt, das Märchen ist ein Symbol für selbst ausgewählte "ehrenamtliche" und unbezahlte Arbeit.

Daraus lässt sich weiter schlussfolgern: Im weitesten Sinne selbstbestimmter Arbeit sollte heutzutage mehr Ansehen gewinnen und Förderung erhalten. Wir wären als Gesellschaft weiter, wenn alle Menschen, die Ideen haben und diese mit Tatendrang und Kreativität auch in die Tat umsetzen wollen, dieser Tätigkeit nachgehen könnten. Es muss nicht bei jedem etwas Nützliches herauskommen, vielleicht entsteht nur bei jedem Zehnten ein echter Nutzen.  Doch ohne die Förderung dieser Menschen kommt gar nichts heraus. Die wenigen, die einen verständigen Sponsor finden oder sich durch die Mühlen der bürokratischen Fördermittelanträge und Fördermittelabrechnungen drehen lassen, sind nur ein kleiner Teil eines ansonsten brachliegenden Kreativitätspotentials unserer Gesellschaft.