banner dbg - DIE BESTEN GEDANKEN
DIE BESTEN GEDANKEN AUS VISIONEN - ÜBER DIE ZUKUNFT DER WELT

ERICH FROMM UND SEIN BUCH "HABEN ODER SEIN"

"Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft"
nennt Fromm sein Buch im Untertitel. Dieses Buch ist Philosophie, Ethik, Zukunftsvision und „Gebrauchsanleitung zum Glücklichsein“ in einem.
Das Buch gibt Lebenshilfe für den Einzelnen - Fromms Antwort auf die Grundfrage: "Wie kann ich glücklich werden?" ist auch mehr als 40 Jahre nach dem Erscheinen des Buches modern, aktuell, zukunftsfähig und es ist immer noch sehr unterhaltsam zu lesen.

"Denn was uns fehlt,
ist nicht das Wissen um die Struktur des Universums,
sondern das Bewusstsein
von der qualitativen Einzigartigkeit menschlichen Lebens."
(aus dem Nachwort des Buches „Haben oder Sein”
von Ruth Nada Anshen)


Auf dieser Seite gebe ich eine Einführung in das Buch

Erich Fromm
Haben oder Sein
Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft


Ich beziehe mich auf die Ausgabe des Deutscher Taschenbuch-Verlages dtv München Deutsch von Brigitte Stein, Überarbeitung von Rainer Funk,
Ungekürzte Ausgabe, 23. Aufl.A1 1994, ISBN 3 - 423 - 30048 - 5

1. Über das Buch, den Autor und die "zentrale Frage unseres modernen Lebens"
- Erich Fromm, der die Seele des Menschen studierte
- Kann ein dreißig Jahre altes Buch heute noch etwas über Zukunftsgestaltung vermitteln?
- Kurzinfo zum Inhalt

2. Aus  der Einleitung  - das Ende einer Illusion
(über die Verheißungen  der neuen Technik und deren Ausbleiben)
- Das Ende der Illusion
- Über Bedürfnisse des Menschen und deren Befriedigung und über die
widersprüchliche Ideologie des Marktes - Die Jagd  nach dem Glück
- Egoismus: Ich bin, was ich habe?
- Ökonomie und Psychologie - die ökonomische Notwendigkeit menschlicher
Veränderung

3. Was das Haben- und das Sein-Denken unterscheidet
- verschiedenes Haben-Denken: das charakterbedingte und das existentielle bzw. funktionale Haben
- Sein - Denken
- Haben und Sein als Lebensformen
- das psychische Problem des Haben-Denkens: Stagnation in vorpubertärer Phase
- ausgewählte Beispiele für den Unterschied von Haben und Sein aus dem Buch

4. Fromms Schlussfolgerungen für eine neue Gesellschaft
- Ändern der Verhältnisse oder Ändern der Menschen?
- Zukunft und  Handlungsmotivation
- Vorschläge Fromms für praktische Maßnahmen 
(vom Bürgergeld bis zur Beendigung des Geschlechterkampfes)
- Zukunfts-Vision und die Kraft einer neuen Motivation

Anhang:
- Die Süddeutsche Zeitung über das Buch
- Mein Weg zu diesem Buch:
   Wie ich zu dem Buch fand: durch die gleichzeitige Empfehlung von einer Christin und einem Marxisten - und was ich mit diesem Buch so alles erlebte
- Die internationale Erich-Fromm-Gesellschaft und der jährliche Erich-Fromm-Preis
- Das Erich-Fromm-Institut und das Erich-Fromm-Dokumentationszentrum
- Die ausführliche Gliederung des Buches

Die Hervorhebungen in den Zitaten sind i. a. von mir.
Wenn sie von E. Fromm selbst sind, wird das im Anschluss an das jeweilige Zitat genannt.  


1. Über das Buch, den Autor und die "zentrale Frage unseres modernen Lebens"

Erich Fromm,  der die Seele des  Menschen  studierte

Erich Fromm, der am 23. März 1900 in Frankfurt geboren wurde, Soziologie, Psychologie und Philosophie studierte, 1922 promovierte, am Psychoanalytischen Institut in Frankfurt arbeitete, emigrierte Anfang der 30er Jahre in die USA. Er lehrte dort und in Mexiko als Professor an verschiedenen Universitäten zur Psychologie und Psychoanalytik. Erich Fromm starb am 18. März 1980 in der Schweiz.
„Haben oder Sein” ist sein bekanntestes Buch.

Kann ein rund vierzig Jahre altes Buch  heute noch etwas  vermitteln über  Zukunftsgestaltung?

Auf der Rückseite des Buches heißt es: Dieses Buch Erich Fromms ist zu Recht eines seiner berühmtesten Werke, da er hier die zentrale Frage unseres modernen Lebens, die Frage nach Haben oder Sein, behandelt .
Durch seine Lesbarkeit und Prägnanz ist dieses Werk besonders geeignet, in Fromms Gedankenwelt einzuführen.
Seine  aus den 1970er Jahren stammende Analyse  der Gesellschaft zeigt, dass die "Verheißungen der modernen Technik", ihr Glücksversprechen, sich nicht erfüllt haben. 
Seine Suche nach einem Ausweg aus diesem Versagen des marktwirtschaftlichen Konzepts und sein Angebot einer Alternative sind heute aktueller denn je.

Kurzinfo zum  Inhalt

Für eine kurze Übersicht der Fragen, die Fromm in seinem Buch aufwirft, empfiehlt sich ein Blick auf die Gliederung.
(Die vollständige Gliederung des Buches steht ganz am Ende dieser Seite im Anhang.)

Ich will in den folgenden Texten nur auf einige ausgewählte Gedanken Erich  Fromms eingehen:

2. Aus  der Einleitung  - Über die Verheißungen  der neuen Technik und deren Ausbleiben

Das Ende einer  Illusion

S. 13f„Die große Verheißung unbegrenzten Fortschritts - die Aussicht auf Unterwerfung der Natur und auf materiellen Überfluß, auf das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl und auf uneingeschränkte persönliche Freiheit - das war es, was die Hoffnung und den Glauben von Generationen seit Beginn des Industriezeitalters aufrechterhielt.”
„.. bestärkte uns der industrielle Fortschritt in dem Glauben, auf dem Wege zu unbegrenzter Produktion und damit auch zu unbegrenzter Konsumtion zu sein, durch die Technik allmächtig und durch die Wissenschaft allwissend zu werden. Wir waren im Begriff, Götter zu werden, mächtige Wesen, die eine zweite Welt erschaffen konnten, wobei uns die Natur nur die Bausteine für unsere neue Schöpfung zu liefern brauchte.
Männer und in zunehmendem Maß auch Frauen erlebten ein neues Gefühl der Freiheit.

„Sozialismus und Kommunismus wandelten sich rasch von einer Bewegung, die eine neue* Gesellschaft und einen neuen Menschen anstrebte, zu einer Kraft, die das Ideal eines bürgerlichen Lebens für alle aufrichtete: der universelle Bourgeois als Mann und Frau der Zukunft. Leben erst alle in Reichtum und Komfort, dann, so nahm man an, werde jedermann schrankenlos glücklich sein. Diese Trias von unbegrenzter Produktion, absoluter Freiheit und uneingeschränktem Glück bildete den Kern der neuen Fortschrittsreligion. ... Ist es verwunderlich, dass dieser neue Glaube seine Anhänger mit Energie, Vitalität und Hoffnung erfüllte?

Man muß sich die Tragweite dieser großen Verheißung und die phantastischen materiellen und geistigen Leistungen des Industriezeitalters vor Augen halten, um das Trauma zu verstehen, das die beginnende Einsicht in das Ausbleiben ihrer Erfüllung heute auslöst. ...”  
(*In diesem Zitat sind einige Wörter von E. Fromm selbst kursiv gesetzt, hier fett-kursiv wiedergegeben: "neue Gesellschaft", "neuen Menschen", "der universale Bourgeois")

Über Bedürfnisse des Menschen und deren Befriedigung und über die widersprüchliche Ideologie des Marktes:

In Bezug auf die Lehren klassischer Philosophen zu Fragen von Bedürfnis und Glück des Menschen sagt Fromm:
(S. 16)"Das wichtigste Element ihres Denkens ist die Unterscheidung zwischen solchen Bedürfnissen (Wünschen), die nur subjektiv wahrgenommen werden und deren Befriedigung zu momentanem Vergnügen führt, und solchen Bedürfnissen, die in der menschlichen Natur wurzeln und deren Erfüllung menschliches Wachstum fördert, das heißt Wohl-Sein (eudaimonia)* hervorbringt. Mit anderen Worten, es ging ihnen um die Unterscheidung zwischen rein subjektiv empfundenen und objektiv gültigen Bedürfnissen - wobei ein Teil der ersteren das menschliche Wachstum behindert, während letztere in Einklang mit den Erfordernissen der menschlichen Natur stehen."  (* von Fromm selbst kursiv gesetzt: (eudaimonia), die Unterscheidung zwischen rein subjektiv empfundenen und objektiv gültigen Bedürfnissen)


Die Jagd nach  dem Glück

(S. 16 / 17)"Die Vorstellung grenzenlosen Vergnügens steht im merkwürdigen Gegensatz zu dem Ideal disziplinierter Arbeit, ebenso wie die Annahme eines zwanghaften Arbeitsethos dem Ideal völliger Faulheit in den freien Stunden des Tages und des Urlaubs widerspricht. Fließband und bürokratische Routine auf der einen Seite, Fernsehen, Auto und Sex auf der anderen ermöglichen diese widerspruchsvolle Kombination. Zwanghaftes Arbeiten allein würde die Menschen ebenso verrückt machen wie absolutes Nichtstun. Erst durch die Kombination beider wird das Leben erträglich. Außerdem entsprechen die beiden widersprüchlichen Haltungen einer ökonomischen Notwendigkeit: Der Kapitalismus des 20. Jahrhunderts setzt ebenso den maximalen Konsum der produzierten Güter und Dienstleistungen wie die zur Routine gewordene Teamarbeit voraus." -
„... geht aus den verfügbaren Daten ganz klar hervor, dass unsere »Jagd nach dem Glück« nicht zum Wohl-Sein führt. Wir sind eine Gesellschaft notorisch unglücklicher Menschen: einsam, von Ängsten gequält, deprimiert, destruktiv, abhängig - jene Menschen, die froh sind, wenn es ihnen gelingt, jene Zeit "totzuschlagen", die sie ständig einzusparen versuchen.

Egoismus - ich bin,  was ich habe?

Egoismus bedeutet ...
(S. 17) "dass ich alles für mich haben möchte; dass nicht Teilen, sondern Besitzen mir Vergnügen bereitet; dass ich immer habgieriger werden muss, denn wenn Haben mein Ziel ist, bin* ich um so mehr, je mehr ich habe; dass ich allen anderen gegenüber feindselig bin - meinen Kunden gegenüber, die ich betrüge, meinen Konkurrenten, die ich ruiniere, meinen Arbeitern, die ich ausbeuten möchte. Ich kann nie zufrieden sein, denn meine Wünsche sind endlos. Ich muss jene beneiden, die mehr haben als ich, und mich vor jenen fürchten, die weniger haben."(* Hier sind es die beiden Worte "bin" und "haben", die Fromm selbst kursiv hervorhob.)


Ökonomie und   Psychologie

Die ökonomische Notwendigkeit menschlicher Veränderungen:
Ausgangspunkt dieser Schlussfolgerung Erich Fromms ist die Erkenntnis, dass die Fortsetzung dieses auf Wirtschaftswachstum setzenden ökonomischen Konzepts der Marktwirtschaft
"direkt auf eine wirtschaftliche Katastrophe zusteuert". 
Das heißt jedoch (S. 21), Die Notwendigkeit einer radikalen menschlichen Veränderung  ist deshalb weder nur eine ethische oder religiöse Forderung noch ausschließlich ein psychologisches Postulat, das sich aus der pathologischen Natur unseres gegenwärtigen Gesellschafts-Charakters ergibt, sondern sie ist auch eine Voraussetzung für das nackte Überleben der Menschheit."

3. Was das Haben- und das Sein-Denken unterscheidet

Der Unterschied zwischen dem "charakterbedingten" und dem funktionalen bzw. existentiellem Haben-Denken:

Vielleicht ist der Ausdruck "charakterbedingtes Haben" aus heutiger Sicht nicht ganz so glücklich gewählt. Fromm meint damit ein Haben-Denken, das auf Äußerlichkeit, Status, Macht usw. gerichtet ist, während das "existentielle" bzw. "funktionale" Haben die Tatsache meint, dass natürlich jeder Mensch auch Besitz an Dingen benötigt für die Sicherung seiner Existenz: Nahrung, Kleidung, Wohnung, Auto usw.
    Das Auto als Beispiel habe ich bewusst erwähnt, denn an ihm lässt sich der Unterschied zwischen beiden Haben-Formen sehr schön veranschaulichen:

1. Es gibt Leute, die verzichten auf ein Auto aus Prinzip, obwohl ihnen damit das Leben leichter würde: die "Asketen". (Diese Art von Verzicht ist ein gesondertes Thema.) In diese Gruppe gehören nicht diejenigen, die aus Umweltbewusstsein versuchen, die Fahrten mit dem Auto einzuschränken oder generell aus diesem Grund aufs Auto verzichten bzw. Menschen, für deren Fahr-Wünsche ein Auto viel zu aufwendig wäre, denen ein Taxi, Bus, Fahrrad oder Bahn genügen.

2. Andere benutzen ein Auto als normalen Gebrauchsgegenstand, als Mittel zum Zweck: der Weg zur Arbeit, zur Schule der Kinder, der Einkauf, die Fahrt zu Freunden, in den Urlaub usw. wird mittels Auto erleichtert.

3. Die dritte Gruppe betrachtet ein Auto  vor allen Dingen als Statussymbol. Natürlich sind die Grenzen zwischen dieser und der vorigen Gruppe fließend. Hier sind auch nicht die Liebhaber von Rennautos oder Oldtimer gemeint, Autosportler usw., bei denen diese Liebe schon zum Fetisch werden kann:

Es geht um die "Auto-Anbeter", die einen Kult nicht um das Auto, sondern aus dem Autobesitz machen: immer das neueste, stärkste, beste Modell, immer noch eins besser als der Nachbar. Dieses "charakterliche Haben" meint diejenigen, die todunglücklich sind, wenn das Auto eine Beule abbekommen hat, es meint diejenigen, denen der Zustand des Autos wichtiger ist als die Gesundheit der Ehefrau.
(Pardon, auch "Frauenbesitz" ist ja so etwas wie ein Statussymbol und im Haben-Denken außerordentlich wichtig: das sind dann die alten Herren, die glauben, sich mit einer ganz jungen schmücken zu müssen - und die auch das Geld haben, sich eine Frau zu "kaufen".)

Sein-Denken

Sein-Denken ist kein asketisches Denken, das den Besitz ablehnt oder verteufelt, keine Philosophie des Verzichts von Habenichtsen im Stil Wilhelm Buschs:
„Entsagung nennt man das Vergnügen an Dingen, welche wir nicht kriegen.”
also von Leuten, die eigentlich neidisch auf die Besitzenden sind und es nur nicht zugeben wollen.

Fromm zitiert Goethe, in dessen Gedicht diese "Seins-Weise" , wie er sie meint, gut zum Ausdruck kommt (S. 31):
    Ich weiß, dass nichts mir angehört
    Als der Gedanke, der ungestört
    Aus meiner Seele will fließen,
    Und jeder günstige Augenblick,
    Den mich ein liebendes Geschick
    Von Grund aus lässt genießen.


Haben und Sein  als zwei  unterschiedliche  Lebensformen

Fromm arbeitet ausdrücklich heraus (S.27):
"dass Haben und Sein zwei grundsätzlich verschiedene Formen menschlichen Erlebens sind..." Weiter schreibt er (S. 35)1. Mit den Begriffen Sein* oder Haben* meine ich nicht bestimmte einzelne Eigenschaften eines Subjekts, wie sie in Feststellungen wie „ich habe ein Auto“, „ich bin weiß“ oder „ich bin glücklich“ Ausdruck finden. Ich meine zwei grundsätzliche Existenzweisen, zwei verschiedene Arten der Orientierung sich selbst und der Welt gegenüber, zwei verschiedene Arten der Charakterstruktur, deren jeweilige Dominanz die Totalität dessen bestimmt, was ein Mensch denkt , fühlt und handelt.
2.  In der Existenzweise des Habens ist die Beziehung zur Welt die des Besitzergreifens und Besitzens, eine Beziehung, in der ich jedermann und alles, mich selbst eingeschlossen, zu meinem Besitz machen will.
3. Bei der Existenzweise des Seins müssen wir zwei Formen des Seins unterscheiden. Die eine ist das Gegenteil von Haben; ...Sie bedeutet Lebendigkeit und authentische Beziehung zur Welt. Die andere Form des Seins ist das Gegenteil von Schein* und meint die wahre Natur , die wahre Wirklichkeit einer Person im Gegensatz zu trügerischem Schein, ...“
(In diesem Zitat sind es diese drei Worte, die Fromm kursiv hervorhebt: Sein, Haben und Schein.)

Das psychische  Problem -  Stagnation  in  vorpubertärer  Phase

Hierzu weist Fromm auf Sigmund Freud hin (S. 85f):
"Worauf es ankommt ist Freuds Auffassung, dass »das Vorherrschen der Besitzorientierung kennzeichnend für die Periode vor dem Erreichen der vollständigen Reife sei und als pathologisch angesehen werden müsse, wenn es im späteren Leben dominierend bleibt«. Mit anderen Worten, für Freud ist der ausschließlich mit Haben und Besitz beschäftigte Mensch psychisch krank und neurotisch, daraus folgt, dass eine Gesellschaft, in der die anale Charakterstruktur überwiegt, krank zu nennen ist." (Im Zitat ist die von Fromm aus Freud zitierte Stelle durch »...« kenntlich gemacht.)

Ausgewählte Beispiele für den Unterschied von Haben und Sein

Fromm bezieht die Definition seines Haben-Denkens nicht nur auf die Beziehungen der Menschen zu materiellen Dingen, sondern auch auf die Beziehung zum geistigen "Besitz". Da letzteres sicher weniger vorstellbar ist, wähle ich Beispiele aus diesem Bereich:

1. Beispiel: Miteinander sprechen
A mit der Meinung X und B mit der Meinung Y treffen aufeinander:

(S. 42 und S. 43)
"Jeder kennt die Ansicht des anderen mehr oder weniger genau. Beide identifizieren sich mit ihrer Meinung. Es kommt ihnen darauf an, bessere, das heißt treffendere Argumente zur Verteidigung ihres eigenen Standpunktes vorzubringen. Keiner denkt daran, seine Meinung zu ändern, oder erwartet, dass der Gegner dies tut. Sie fürchten sich davor, von ihrer Meinung zu lassen, da diese zu ihren Besitztümern zählt, und ihre Aufgabe somit ihren Verlust darstellen würde.“
…. Der Seinsmensch
„kann … sich voll auf den anderen und dessen Ideen einstellen. Er gebiert neue Ideen, weil er nichts festzuhalten trachtet. …
Er wirkt im Gespräch lebendig, weil er sich selbst nicht durch ängstliches Pochen auf das, was er hat, erstickt. Seine Lebendigkeit ist ansteckend, und der andere kann dadurch häufig seine Egozentrik überwinden. Die Unterhaltung hört auf, ein Austausch von Waren (Informationen, Wissen, Status) zu sein, und wird zu einem Dialog, bei dem es keine Rolle mehr spielt, wer recht hat."


2. Beispiel: Solidarität und Antagonismus

(S.111)"Das Verhältnis zwischen den Menschen ist in der Existenzweise des Habens durch Rivalität, Antagonismus und Furcht gekennzeichnet."
- denn
"Wenn Haben die Basis meines Identitätsgefühls ist, weil »ich bin, was ich habe«, dann muss mein Wunsch zu haben zum Verlangen führen, viel, mehr, am meisten zu haben. Mit anderen Worten, Habgier* ist die natürliche Folge der Habenorientierung."

"Was auch immer diese Gier entfacht - der Mensch, der von ihr befallen ist, wird nie genug haben, er wird niemals »zu-frieden« sein."
(* "Habgier" von Fromm kursiv hervorgehoben)

Demgegenüber ist die Seins-Denkweise geprägt von der Fähigkeit, sich an Dingen zu erfreuen und sie zu genießen, die man dafür nicht »haben« muss, egal ob es sich z. B. um die Liebe zu einem Menschen oder einem Kunstwerk oder der Natur handelt: in der Erfahrung der „geteilten Freude“ sieht Fromm „eines der tiefsten Erlebnisse menschlichen Glücks“. (S. 113)
" Nichts vereint Menschen mehr (ohne ihre Individualität einzuengen) als ihre gemeinsame Bewunderung und Liebe für einen Menschen oder wenn sie durch einen Gedanken, ein Musikstück, ein Gemälde oder ein Ritual verbunden sind oder gar das Leiden teilen. Ein solches Erlebnis macht die Beziehungen zwischen zwei Menschen lebendig und erhält sie lebendig, es ist die Grundlage aller großen religiösen, politischen und philosophischen Bewegungen...."

3. Beispiel - der Unterschied zwischen Hunger und Gier
Fromm macht den Unterschied zwischen Hunger (der eine physiologisch bedingte Grenze hat) und Gier (die immer psychisch ist), die unersättlich ist, deutlich:
(S. 111)"Wenn (nun) jeder mehr (haben) möchte, muss jeder die aggressiven Absichten seines Nachbarn fürchten, ihm wegzunehmen, was er hat; um solchen Angriffen vorzubeugen, muss man selbst stärker und präventiv aggressiv werden. Da die Produktion, so groß sie auch sein mag, niemals mit unbegrenzten Wünschen Schritt halten kann, muss zwischen den Individuen im Kampf um den größten Anteil Konkurrenz und Antagonismus herrschen. Und selbst wenn ein Stadium absoluten Überflusses erreicht werden könnte, würde der Kampf weitergehen."
Dieser Kampf ist sowohl auf der Ebene zwischen einzelnen Menschen als auch zwischen Gruppen bzw. Völkern denkbar.(S. 111) "Denn solange die Völker aus Menschen bestehen, deren hauptsächliche Motivation das Haben und die Gier ist, werden sie notwendigerweise Krieg führen..."

und er behauptet: (S. 112)"Frieden als der Zustand anhaltender harmonischer Beziehungen zwischen Völkern ist nur möglich, wenn die Habensstruktur durch die Struktur des Seins ersetzt wird."

4. Fromms Schlussfolgerungen für eine neue Gesellschaft

Ändern der Verhältnisse oder Ändern der Menschen?

Hier stellt er die Frage, wie Menschen die Energie gewinnen, die nötig ist, "um tiefgreifende gesellschaftliche Umwandlungen zu bewirken." - er glaubt, dass die Menschen dafür »religiöse Impulse« benötigen.

Er setzt sich mit der „revolutionären“ Behauptung auseinander (S. 129):"Viele politische Revolutionäre meinen, zuerst müssten die politische und ökonomische Struktur radikal verändert werden, dann werden als zweiter und fast zwangläufiger Schritt ein Wandel der menschlichen Psyche erfolgen."
und benennt das andere Extrem (S. 130):"jene ..., die behaupten, zunächst gelte es, die Natur des Menschen zu verändern - sein Bewusstsein, seine Wertvorstellungen , seinen Charakter - , erst dann könne eine wahrhaft humanistische Gesellschaft errichtet werden."
Auch diese Vorstellung hat sich nicht realisieren lassen. Es steht zu vermuten, dass die machbare Lösung der "Mittelweg" zwischen beiden Vorstellungen ist.

Damit sind wir jedoch direkt wieder bei Marx, der lehrt, dass sich der Mensch in der "revolutionären Praxis" entwickelt und verändert, und der auch wusste:
"Die Idee wird zur revolutionären Gewalt, wenn sie die Massen ergreift."

Mit anderen Worten - die Frage heißt:
Welche Idee ist so stark, dass sie das Handeln der Menschen beeinflussen kann? Es muss eine über den Einzelnen hinausgehende Idee sein, eine Idee, die den Einzelnen an etwas Höheres "rückkoppeln" kann: damit verbinden sich politische und religiöse Fragen.

Zukunft und Handlungsmotivation

Fromm geht von einem „allen Menschen eigene(n) religiöse(n) Bedürfnis“ aus, das durch den „Gesellschafts-Charakter“ befriedigt werden muss, er definiert Religion als
(S. 130f)
"jedes von einer Gruppe geteilte System des Denkens und Handelns, das dem einzelnen einen Rahmen der Orientierung und ein Objekt der Hingabe bietet." (*Diese Textstelle ist bei Fromm kursiv hervorgehoben.)

Das ausführliche Zitat lautet:
"Zur Klarstellung: So wie ich den Begriff » Religion« hier verwende, bezeichnet er nicht nur ein System, das notwendigerweise mit einem Gottesbegriff oder mit Idolen operiert, und nicht nur ein System, das als Religion anerkennt ist, sondern jedes von einer Gruppe geteilte System des Denkens und Handelns, das dem einzelnen einen Rahmen der Orientierung und ein Objekt der Hingabe bietet. In diesem weitgefassten Sinn ist in der Tat keine Gesellschaft der Vergangenheit, der Gegenwart und selbst der Zukunft vorstellbar, die keine »Religion« hat."

Vorschläge Fromms für praktische Maßnahmen

Fromm benennt die Schwierigkeiten, die es beim Aufbau einer neuen Gesellschaft zu überwinden gilt und macht konkrete Vorschläge, was wie geändert werden muss. Viele seiner Gedanken leben auch heute in politischen Konzepten und alternativen Ansätzen:

Die Idee des "Bürgergeldes" bzw. "bedingungslosen Grundeinkommens" liest sich bei Fromm z. B. so:
(S. 181)"Viele Übel der heutigen kapitalistischen und kommunistischen Gesellschaften wären durch die Garantie eines jährlichen Mindesteinkommens zu beseitigen.*
Diesem Vorschlag liegt die Überzeugung zugrunde, dass jeder Mensch, gleichgültig, ob er arbeitet oder nicht, das bedingungslose Recht hat, nicht zu hungern und nicht obdachlos zu sein. Er soll nicht mehr erhalten, als zum Leben nötig ist - aber auch nicht weniger. Dieses Recht scheint heute eine neue Auffassung auszudrücken, doch in Wirklichkeit handelt es sich um eine sehr alte Norm, die sowohl in der christlichen Lehre verankert ist als auch von vielen »primitiven« Stämmen praktiziert wird: dass der Mensch das uneingeschränkte Recht zu leben hat, ob er seine»Pflicht gegenüber der Gesellschaft« erfüllt oder nicht." *
(* Die beiden hier kursiv-fett hervorgehobenen Textstellen sind bei Fromm kursiv im eigentlich normal geschriebenen Text hervorgehoben.)

Ersetzen der "Zuschauerdemokratie" durch eine "Mitbestimmungs-demokratie"
(S. 174):"Die Demokratie kann der Bedrohung durch autoritäre Gesellschaften standhalten, wenn sie sich von einer passiven »Zuschauerdemokratie« zu einer aktiven »Mitbestimmungsdemokratie«wandelt, in der die Belange der Gemeinschaft für den einzelnen ebenso wichtig sind wie die eigenen Angelegenheiten oder, noch besser, in der das Gemeinwohl von jedem Bürger als sein ureigenstes Anliegen angesehen wird.
Das ist - so meint Fromm - nur realisierbar durch eine aktive Mitbestimmung in Politik und Wirtschaft, deren Voraussetzungen beispielsweise die maximale Dezentralisierung von Wirtschaft und Politik und ein "humanistisches Management" sind.


Fromm setzt sich auch für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Männern und Frauen ein:
(S. 182)
"Die Frauen sind von der patriarchalischen Herrschaft zu befreien.
Die Befreiung der Frauen von der patriarchalischen Herrschaft ist eine fundamentale Voraussetzung der Humanisierung der Gesellschaft. ...
Der Krieg zwischen den Geschlechtern ist ebenso alt wie der Klassenkampf, aber er hat kompliziertere Formen angenommen, da die Männer stets die Frauen nicht nur als Arbeitstiere brauchten, sondern auch als Mütter, Geliebte und Trostspenderinnen. Oft tritt der Geschlechterkampf offen und brutal zutage, häufiger wird er im Verborgenen ausgetragen. Die Frauen mussten sich der Macht der Männer beugen, aber sie haben mit ihren eigenen Waffen zurückgeschlagen; ihre schärfste Waffe war, die Männer lächerlich zu machen. Die Unterjochung der einen Hälfte der Menschheit durch die andere hat beiden Geschlechtern immensen Schaden zugefügt und tut dies weiterhin. Die Männer nahmen die charakteristischen Eigenschaften des Siegers, die Frauen die des Besiegten an. Auch heute noch gibt es keine Mann-Frau-Beziehung, die frei vom Fluch des Überlegenheits- bzw. Unterlegenheitsgefühls wäre, selbst unter Menschen, die bewusst gegen die männliche Vorherrschaft protestieren." 


Zukunfts-Vision  und neue  Motivation

(S. 192f - Hervorhebung im Text von mir - B.K.) "Trotz der genannten hoffnungsvollen Faktoren bleibt die Chance gering, dass es zu den notwendigen menschlichen und gesellschaftlichen  Veränderungen kommt.
Unsere einzige Hoffnung ist die energiespendende Kraft, die von einer neuen Vision ausgeht. Diese oder jene Reform vorzuschlagen, ohne das System von Grund auf zu erneuern, ist auf lange Sicht gesehen sinnlos, denn solchen Vorschlägen fehlt die mitreißende Kraft einer starken Motivation. Das »utopische« Ziel ist realistischer als der »Realismus« unserer heutigen Politiker. Die neue Gesellschaft und der neue Mensch werden nur Wirklichkeit werden, wenn die alten Motivationen - Profit und Macht - durch neue ersetzt werden: Sein, Teilen, Verstehen; wenn der Marktcharakter durch den produktiven, liebesfähigen Charakter abgelöst wird und an die Stelle der kybernetischen Religion ein neuer,  radikal-humanistischer Geist tritt." 

und "Die spätmittelalterliche Kultur blühte, weil die Vision von der Stadt Gottes die Menschen beflügelte. Die Gesellschaft der Neuzeit blühte, weil die Vision der Irdischen Stadt des Fortschritts die Menschen mit Energie erfüllte. In unserem Jahrhundert hat diese Vision jedoch die Züge des Turms von Babel angenommen, der jetzt einzustürzen beginnt und schließlich alle unter seinen Trümmern begraben wird. Wenn die Stadt Gottes und die Irdische Stadt These und Antithese darstellten, dann ist eine neue Synthese die einzige Alternative zum Chaos: die Synthese zwischen dem religiösen Kern der mittelalterlichen Welt und der Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens und des Individualismus  seit der Renaissance. Diese Synthese ist die Stadt des Seins."
siehe auch den Text aus der Bibel zum Turmbau zu Babel in Bibel, AT - Zitate
(in  Register » Quellen-Zitate)

Anhang


- Kommentar der Süddeutschen Zeitung,
- mein Weg zu diesem Buch,
- Erich-Fromm-Preis,
Erich-Fromm-Archiv und Erich-Fromm-Gesellschaft sowie
- die Gliederung des Buches

Aus der Süddeutschen Zeitung:
(Dieses Zitat ist dem Taschenbuch ohne Datum vorangestellt.) "In seiner Darstellung steht die Existenzweise des Habens für die Übel der gegenwärtigen Zivilisation, die des Seins aber für die Möglichkeit eines erfüllten, nicht entfremdeten Lebens. Die heutige Gesellschaft ist vom Modus des Habens oder Habenwollens bestimmt: Ihr Verhalten ist durch den Charakter des Privateigentums bestimmt ... Demgegenüber sind Voraussetzungen für den Modus des Seins vor allem Unabhängigkeit, Freiheit und kritische Vernunft. Der Mensch, der nicht mehr vom Haben, sondern vom Sein bestimmt wird, kommt zu sich selbst, entfaltet eine innere Aktivität, die nicht mit purer Geschäftigkeit oder Betriebsamkeit zu verwechseln ist, er kann seine menschlichen Fähigkeiten wirklich produktiv einsetzen. Diesem Menschen gilt Besitz nichts, Liebe jedoch alles... Vielleicht zählt Fromm für künftige Interpreten dereinst zu den Wortführern jener dritten Kraft, die - wie die großen Humanisten am Ende der Glaubenskriege - durch ihre mutigen Ideen dazu beitragen können, dass wir insgesamt toleranter und hilfsbereiter, bedürfnisloser und friedfertiger werden. Mag sein, dass die Partei des humanistischen Protests an Boden gewinnt: Ihre Wegbereiter in unserem Jahrhundert heißen Mahatma Gandhi und Martin Luther King, Albert Schweitzer und Ivan Illich. Erich Fromm gehört zu ihnen."

Mein Weg zu diesem Buch

Eigentlich war es komisch: eine Christin und ein Marxist haben mir fast zeitgleich dieses Buch empfohlen. Das war 1995.

Die Christin erzählte mir, wie dieses Buch zu DDR-Zeiten innerhalb christlicher bzw. kirchlicher Kreise gelesen, weiterempfohlen und heftig diskutiert worden war. Vor allem die Sozialismus-Kritik von Erich Fromm habe dabei eine Rolle gespielt.
Diese war ja der Hauptgrund, weshalb E. Fromm in der DDR nicht so gern genannt wurde.

Der Marxist (Philosoph) erzählte mir von diesem Buch, weil es ihn nach der Wende erstaunt und zutiefst beschäftigt hatte. Er fand alles, was E. Fromm da schrieb, sehr nachdenkenswert, vor allem dessen Sozialismus-Kritik. Inzwischen war er jedoch ganz dem Pessimismus verfallen und glaubte nicht mehr, dass solche Gedanken wie die von E. Fromm Gehör bei den Menschen fänden.

Die Diskussion im Kulturbund  Wittenberg über das Buch hatte ich angeregt. Wir waren ca. 20 Personen, fast alles ältere Männer, nur drei oder vier Frauen. Ein Philosoph (ein anderer als der oben erwähnte), der sie moderierte, begann mit den Worten
"Ohne HABEN-Menschen würde der Staat zusammenbrechen."
Später begriff ich an den Reaktionen der meisten Teilnehmer, dass ich da mit einer Gruppe von HABEN-Menschen zusammensaß, die gar nicht bereit waren, über das SEIN-Leben  nachzudenken. Eine eisige Ablehnung gegen das Thema war offensichtlich. Die Tendenz ihrer Argumentation lief immer wieder auf das eine hinaus:
Erst wenn ich GENUG HABE, kann ich über mein SEIN nachdenken.

Eine zweite Diskussion im "Frauencafé" hier in Wittenberg mit Frauen zeigte mir, wie schwer es heutzutage ist, angesichts des ein ganzes Leben lang antrainierten "Haben-Denkens" überhaupt erklären zu können, was "Sein-Denken" ist. Doch die Frauen hatten ein "natürliches Gespür" für Sein-Denken, konnten Parallelen zu ihrer eigenen Lebensauffassung und ihren Erfahrungen herstellen, fühlten sich emotional stark von den aufgeworfenen Fragen angesprochen. Es war ein wundervoller Gedankenaustausch.

Mir wurde im Vergleich der beiden Gesprächsrunden schließlich deutlich, dass Fromms Denkweise dem entspricht, was vielfach als "weibliches Denken" bezeichnet wird ...

Ein "Wessi" klärte mich später auf, dass dieses Buch in den 70er Jahren bei ihnen drüben "Kultbuch" gewesen sei. Es hatte also nicht nur ein intellektuelles Nischendasein geführt. Die Gedanken Fromms müssen die Menschen berührt haben. Ich begreife immer noch nicht, wieso dieses Buch  - wenn es denn so fleißig gelesen wurde - bisher so wenig Wirkung gezeigt hat.

Die internationale Erich-Fromm-Gesellschaft und der Erich-Fromm-Preis

Auf ihrer Website www.fromm-gesellschaft.eu link extern schreibt die Gesellschaft über ihr Anliegen (eingesehen am 09.12.2015):Erich Fromm (1900-1980) ist als Psychoanalytiker und Sozialpsychologe ebenso bekannt wie als Autor und bedeutender Humanist des 20. Jahrhunderts. Wie kaum ein anderer in Deutschland geborener Humanwissenschaftler hat Erich Fromm weltweit gewirkt. Seine Schriften und Erkenntnisse werden weltweit gelesen und rezipiert. Die Internationale Erich-Fromm-Gesellschaft dient der Erhaltung, Erforschung, Weiterentwicklung und Vermittlung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ideen von Erich Fromm.

Am 25.10.2013 lautete der einführende Text:Die im Jahre 1985 gegründete Internationale Erich-Fromm-Gesellschaft möchte eine lebendige Auseinandersetzung mit Fromms Gedankengut fördern. Sie dient der Erhaltung, Erforschung, Weiterentwicklung und Vermittlung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ideen von Erich Fromm. Es geht uns aber nicht nur um die Reflexion des Frommschen Gedankenguts. Ebenso wichtig ist die Auseinandersetzung mit Fragen, die sich aus dem Bezug des Werks von Fromm zu aktuellen gesellschaftlichen Problemen ergeben. So zeigt uns das humanistische Denken und Wirken Fromms Wege und Möglichkeiten, wie wir unsere Gesellschaft menschlicher gestalten und unsere Umwelt nachhaltiger schützen können. - Diese Ziele versuchen wir auf verschiedenen Ebenen anzugehen ...

Der jährliche Erich-Fromm-Preis

Unter anderem vergibt die Internationale Fromm-Gesellschaft jährlich den mit
10 000 Euro dotierten Erich-Fromm-Preis. Damit sollen Personen ausgezeichnet werden, die mit ihrem wissenschaftlichen, sozialen, gesellschaftspolitischen oder journalistischen Engagement Hervorragendes für den Erhalt oder die Wiedergewinnung humanistischen Denkens und Handelns im Sinne Erich Fromms geleistet haben bzw. leisten.

Die Preisträger in den vergangenen Jahren waren:
(Ich nenne sie, weil sie alle zu den Menschen gehören, die bestrebt sind, mit ihren "guten und besten Gedanken" und ihrem Handeln die Welt ein bisschen besser zu machen.)

2023   Prof. Dr. Thomas Fuchs (der Preis wird am 23. März 2023 verliehen)

2022    Uli Mäder

2021    Maja Göpel

2020    Paul Manson

2019    Daniel und Sabine Röder

2018    Prof. Hartmut Rosa

2017   John Neumeier

2016   Christel und Rupert Neudeck

2015
Prof. Götz Werner
selbst, Begründer der Drogeriekette "dm" und leidenschaftlicher Kämpfer für das "bedingungslose Grundeinkommen"
(Der Preis wird finanziert durch eine Spende von ihm. Die Vergabe liegt in den Händen einer unabhängigen Jury. - Es mag sicherlich etwas ungewöhnlich sein, dass der Spender den Preis erhält. Doch es dürfte augenscheinlich sein, dass es hier nicht um das Geld geht. - Aus meiner Sicht ist Prof. Werner aufgrund seines herausragenden Engagements schon seit Jahren in ganz besonderer Weise „Kandidat“ für diesen Preis gewesen und ich freue mich, dass man den Mut hatte, diese Auszeichnung in diesem Jahr an ihn zu vergeben.)

2014
Dirk Schümer
, Europakorrespondent des Feuilletons der FAZ

2013
Gesine Schwan
(Politikwissenschaftlerin, u. a. bis 2008 Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder) erhielt am 21. März 2013 den diesjährigen Erich-Fromm-Preis. Die Preisvergabe wird u. a. begründet mit: "In einer Zeit, in der alles Heil im Gewinnstreben, Wettbewerb und Rivalisieren gesucht wird, setzt die Preisträgerin auf Verständigung und Versöhnung und versucht Trennendes durch solidarisches und gemeinsames Handeln zu überwinden. Als Wissenschaftlerin und Bildungspolitikerin fragt sie nicht nach dem, was die Menschen trennt, sondern was sie verbindet. Ihr Denken, Fühlen und Handeln orientiert sich – wie bei Erich Fromm – an dem, was für den Menschen und für das Gemeinwohl gut ist."
2012
Georg Schramm
, der leidenschaftlich mit den Mitteln der politischen Satire über Missstände in unserer Gesellschaft aufklärt, erhielt den Preis in diesem Jahr hierfür (so die Begründung auf der Website): "Georg Schramm lässt in seinen Bühnenfiguren auf radikale und des-illusionierende Weise Menschen das aussprechen, was in dieser auf Erfolg und Gewinn setzenden Gesellschaft nicht zum Vorschein kommen darf, ja angesichts einer am Ökonomismus orientierten neoliberalen Ideologie auch unausgesprochen bleiben soll. Er klärt auf und macht den Zorn konstruktiv und ist dabei ein beeindruckender Psychologe und Charakterdarsteller. Tragik und Komik, Ohnmacht und Menschenwürde bilden in seinen Bühnenprogrammen eine ganz einmalige Mischung. Mit Erich Fromm verbindet ihn vor allem die Fähigkeit, das gesellschaftlich Verdrängte und öffentlich Gemiedene ans Tageslicht zu bringen. Ermöglichte Erich Fromm mit seiner charakterologischen Gesellschaftsanalyse vielen Menschen einen Zugang zum gesellschaftlich Unbewussten, so Georg Schramm mit dem Medium des Kabaretts."
2011
Anne-Sophie Mutter

Die Begründung auf der Website lautet:
"Die international gefeierte Künstlerin fördert durch ihr beeindruckendes soziales Engagement Menschen, die im Schatten der Gesellschaft leben, und ermöglicht ihnen ein Leben in Würde. Sie will nicht nur durch ihre Musik wirken, sondern Kindern, alten Menschen und Behinderten gezielt helfen. Mit Konzerterlösen und eigenen Mitteln finanziert sie Waisenhäuser in Rumänien und Lettland sowie Behinderteneinrichtungen in Wehr-Öflingen und Freiburg. Anne-Sophie Mutter unterstützte Organisationen wie „Save the Children" und die „SOS Kinderdörfer". Sie trat für die Aids-Hilfe, für Erdbebenopfer in Sichuan und gegen den Einsatz von Landminen auf."
2010
Noam Chomsky
ist US-amerikanischer Sprachwissenschaftler und Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Philadelphia, Pennsylvania. Er wurde u. als Kritiker des Kapitalismus und als Globalisierungskritiker weltweit bekannt.
(Angaben zur Person aus der Wikipedia, aufgerufen am 19.03. 2013 http://de.wikipedia.org/wiki/Noam_Chomsky)

2009
Gerhard Baum
, der frühere Bundesinnenminister
In der Begründung heißt es u. a., er erhalte den Preis für "seinen Einsatz für die Menschenrechte und speziell für die im Grundgesetz verbürgten Grund- und Freiheitsrechte. Baum habe sich zudem immer wieder gegen ein unverhältnismäßiges Sicherheitsstreben eingesetzt. Damit realisiere er auch das humanistische Vermächtnis Fromms..."
2008 Jakob von Uexküll, der selbst Stifter des sogenannten "Alternativen Nobelpreises" ist

2007
Konstantin Wecker und Eugen Drewermann
gemeinsam

2006
Heribert Prantl und Hans Leyendecker


Der Preis wird seit dem Jahr 1995 verliehen.
Weiter zurück liegend Preisträger kann man hier nachlesen:
www.fromm-gesellschaft.eu/index.php/de/aktivitaeten/erich-fromm-preis/bisherige-traeger-innen »externer Link«
(Siehe auch de.wikipedia.org/wiki/Erich-Fromm-Preisexterner Link, öffnet in neuem Fenster)

Das Erich-Fromm-Institut und das Erich-Fromm-Dokumentationszentrum

Sehr zu empfehlen ist ein Blick auf die Website
fromm-online.org »externer Link« .

Sie schreiben über sich (zuletzt angesehen im Februar 2020):
Erich Fromm online ist die Website zu Erich Fromm und zum Erich Fromm Institut Tübingen (EFIT). Außerdem bietet Erich Fromm online Zugang zum Erich Fromm Dokumentationszentrum und zur Website der Internationalen Erich-Fromm-Gesellschaft.

Das EFIT wurde am 30. Januar 2015 eröffnet. Es sitzt in Tübingen Tür an Tür mit dem Welt-Ethos-Institut.

Der Erich Fromm Dokumentenserver ist erreichbar unter
opus4.kobv.de/opus4-Fromm/home »externer Link«

Dr. Rainer Funk, ehemaliger Mitarbeiter Fromms und Nachlassverwalter des literarischen Nachlasses von Erich Fromm betreibt dieses Dokumentationszentrum und das Archiv und gibt diese Website heraus. Er arbeitet eng mit der internationalen Fromm-Gesellschaft zusammen.
Auf der Website gibt es u. a. die Möglichkeit, Texte der jährlich erscheinenden Zeitschrift "Forum" herunter zu laden.
Zu deren Autoren gehören z. B. Jakob von Uexküll, Hans-Peter Dürr, Elmar Altvater und Hans Jellouschek.

Die Gliederung des Buches
"Haben oder Sein - die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft"

gibt einen ersten Einblick in die weiteren Themen:

Vorwort

Einführung:

   Die große Verheißung, das Ausbleiben ihrer Erfüllung und neue Alternativen
   Das Ende einer Illusion
   Warum haben sich die großen Verheißungen nicht erfüllt?
   Die ökonomische Notwendigkeit menschlicher Veränderung
   Gibt es eine Alternative zur Katastrophe?

ERSTER TEIL

ZUM VERSTÄNDNIS DER UNTERSCHIEDE ZWISCHEN HABEN UND SEIN


1. Auf den ersten Blick
   Die Bedeutung des Unterschieds zwischen Haben und Sein
   Beispiele aus der Dichtung
   Veränderungen im Sprachgebrauch
   Beobachtungen von Du Marais und Marx
   Heutiger Sprachgebrauch
   Zur Etymologie der Begriffe
   Philosophische Konzepte des Seins
   Haben und Konsumieren

2. Haben und Sein in der alltäglichen Erfahrung
   Lernen
   Erinnern
   Miteinander sprechen
   Lesen
   Autorität ausüben
   Wissen
   Glauben
   Liebe

3. Haben und Sein im Alten und Neuen Testament und in den Schriften Meister Eckharts
    Altes Testament
   Neues Testament
   Meister Eckhart (1260-1327)
   Eckharts Begriff des Habens
   Eckharts Begriff des Seins


ZWEITER TEIL

ANALYSE DER GRUNDLEGENDEN UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DEN BEIDEN EXISTENZWEISEN


4. Die Existenzweise des Habens
    Die gewinnorientierte Gesellschaft- Basis für die Existenzweise des Habens
    Das Wesen des Habens
    Haben - Gewalt - Rebellion
    Weiter Faktoren, die die Existenzweise des Habens fördern
    Die Existenzweise des Habens und der anale Charakter
    Askese und Gleichheit
    Funktionales Haben

5. Die Existenzweise des Seins
    Tätigsein
    Aktivität und Passivität
    Aktivität und Passivität bei einigen großen Meistern des Denkens
    Sein als Wirklichkeit
    Der Wille zu geben, zu teilen und zu opfern

6. Weiter Aspekte von Haben und Sein
    Sicherheit- Unsicherheit
    Solidarität - Antagonismus
    Freude-Vergnügen
    Sünde und Vergebung
    Angst vor dem Sterben - Bejahung des Lebens
    Hier und Jetzt - Vergangenheit und Zukunft

DRITTER TEIL

DER NEUE MENSCH UND DIE NEUE GESELLSCHAFT


7. Religion, Charakter und Gesellschaft
    Die Grundlagen des Gesellschafts-Charakters
    Gesellschafts-Charakter und "religiöse" Bedürfnisse
    Ist die westliche Welt christlich ?
    Die Religionen des Industriezeitalters
    Der "Marketing-Charakter" und die "kybernetische Religion"
    Der humanistische Protest 

8. Voraussetzungen für den Wandel des Menschen und Wesensmerkmale des neuen Menschen
    Der neue Mensch

9. Wesensmerkmale der neuen Gesellschaft

    Eine neue Wissenschaft vom Menschen

Nachwort von Ruth Nanda Anshen

Bibliographie

Register
___________________
 Anmerkung A1
Im Jahr 2015 erschien diese Ausgabe bereits in 42. Auflage im DTV:
ISBN 978-3-423-34234-6,
7,90 Euro
Leider sind die dortigen Seitenzahlen nicht identisch mit meiner Ausgabe.