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DIE BESTEN GEDANKEN AUS GESELLSCHAFT UND ÖFFENTLICHEM LEBEN

GOETHE UND DIE FREIHEIT


Das ist der Weisheit letzter Schluss:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.

      aus "Faust, Der Tragödie zweiter Teil", fünfter Akt,
      Fausts letzte Worte (siehe unten ausführlich)
      Johann Wolfgang v. Goethe


Nach  diesem Bekenntnis Goethes zu einem Freiheitsbegriff, der in erster Linie  einen Anspruch an den Menschen darstellt, ist es vielleicht auch ganz interessant, weitere Texte von ihm über die Freiheit zu lesen.  Hier stelle ich einige - mehr oder weniger zufällig gefundene  - Textstellen vor:

Freiheit -  tun, was man  für recht hält

»Als aber der Zirkel durchlaufen war, sah ich, dass das unschätzbare Glück der Freiheit nicht darin besteht, dass man alles tut, was man tun mag, und wozu uns die Umstände einladen, sondern dass man das ohne Hindernis und Rückhalt, auf dem geraden Wege tun kann, was man für recht und schicklich hält, und ich war alt genug, in diesem Falle ohne Lehrgeld zu der schönen Überzeugung zu gelangen.«
Wilhelm Meisters Lehrjahre (vgl. Goethe-HA Bd. 7, S. 414)

Man handelt nicht  frei, wenn man sich und anderen schadet

»Herzog Alba zu Egmont:
Was wollen sie für Freiheit? Was ist des Freiesten Freiheit? - Recht zu tun! - und daran wird sie der König nicht hindern. Nein! nein! sie glauben sich nicht frei, wenn sie sich nicht selbst und andern schaden können.«
Egmont, vierter Aufzug (vgl. Goethe-HA Bd. 4, S. 429)


Der Preis der Freiheit

» Egmont:
Nun bin ich frei, und in der Freiheit liegt die Angst der Ohnmacht.«
Egmont, fünfter Aufzug (vgl. Goethe-HA, Bd. 4, S. 440)


Ist der Mensch nicht geboren,  frei zu sein?

»Tasso:
Er ist mein Fürst! - Doch glaube nicht, dass mir
Der Freiheit wilder Trieb den Busen blähe
.
Der Mensch ist nicht geboren, frei zu sein,
Und für den Edlen ist kein schöner Glück,
Als einem Fürsten, den er ehrt, zu dienen.
Und so ist er mein Herr, und ich empfinde
Den ganzen Umfang dieses großen Worts.
Nun muß ich schweigen lernen, wenn er spricht,
Und tun, wenn er gebietet, mögen auch
Verstand und Herz ihm lebhaft widersprechen.«
Torquato Tasso (vgl. Goethe-HA, Bd. 5, S. 98-99)


Wer sich alles  erlaubt.

»TASSO:
O wenn aus guten, edlen Menschen nur
Ein allgemein Gericht bestellt entschiede,
Was sich denn ziemt! anstatt dass jeder glaubt,
Es sei auch schicklich, was ihm nützlich ist.
Wir sehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen
Steht alles wohl, und er erlaubt sich alles.
«


Ist Freiheit ein Ziel, nach dem nur der Mann strebt?

»PRINZESSIN.
Willst du genau erfahren, was sich ziemt,
So frage nur bei edlen Frauen an.
Denn ihnen ist am meisten dran gelegen,
Dass alles wohl sich zieme, was geschieht.
Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer
Das zarte, leicht verletzliche Geschlecht.
Wo Sittlichkeit regiert, regieren sie,
Und wo die Frechheit herrscht, da sind sie nichts.
Und wirst du die Geschlechter beide fragen:
Nach Freiheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte.
«
Torquato Tasso (vgl. Goethe-HA, Bd. 5, S. 100 ff.)


Freiheit will  verdient sein -  nicht geschenkt.

»FAUST:
Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
Verpestet alles schon Errungene;
Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,
Das Letzte wär' das Höchsterrungene.
Eröffn' ich Räume vielen Millionen,
Nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen.
Grün das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Herde
Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.
Im Innern hier ein paradiesisch Land,
Da rase draußen Flut bis auf zum Rand,
Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschießen,
Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen.
Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluss:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht' ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
Zum Augenblicke dürft' ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in Äonen untergehn. -
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß' ich jetzt den höchsten Augenblick.«
Faust II (vgl. Goethe-HA Bd. 3, S. 348 ff.)

Quellenbezug auf "Goethe-HA":
Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden.
Textkritisch durchgesehen und mit Anmerkungen versehen von Erich Trunz, Hamburg: Christian Wegener, 1948 ff.