ZWANZIGSIEBZEHN - DER 500. JAHRESTAG DES BEGINNS DER REFORMATION
DAS JUBELJAHR
Nun ist es heraus! Ein "Jubiläumsjahr" ist viel zu wenig für das, was da im Jahr 2017 auf uns zukommt! Es wird ein "JUBELJAHR".
Sicher kennen die meisten den Ausdruck
"aller Jubeljahre" und wissen gar nicht, woher der stammt. Man wendet ihn an im Sinne "äußerst selten". Diese Wort "Jubeljahr"geht auf Luther zurück, auf - logisch - dessen Bibelübersetzung. Im Alten Testament - ich will mich kurz fassen, die Wikipedia
(siehe de.wikipedia.org/wiki/Jubeljahr und auch de.wikipedia.org/wiki/Erlassjahr )
ist da ausführlicher - war das eine Festsetzung, dass aller 50 Jahre Schulden erlassen, den Sklaven die Freiheit gegeben werden und Grund und Boden an die früheren Eigentümer zurückgegeben werden musste. So richtig daran gehalten hat man sich wohl nicht. Aber der Grundgedanke ist ausgesprochen ökonomisch: Nur so war die Steigerung in eine Schuldenspirale (einen "Teufelskreis") aus Zinsen und Zinseszinsen zu verhindern. Mit dieser Regelung hatte jeder eine Chance, aus Schulden und Sklaverei zu kommen, eine Hoffnung, auf die hin es sich lohnte, weiter zu leben. Die Gläubiger waren gezwungen, sich darauf einzustellen und entsprechende Verträge abzuschließen. Sonst hatten sie Pech.
Diese Idee ist sehr modern - die ärmsten Länder der Welt könnten mit einem heute
"Schuldenschnitt" genannten Schuldenerlass ebenfalls eine Chance bekommen, an die ökonomische Entwicklung der reicheren Welt Anschluss zu finden.
Im heutigen Sprachgebrauch
hat das Wort "Jubeljahr" eine feste Bedeutung im Vokabular der katholischen Kirche (s. o. Links auf Wikipedia-Beiträge),
so dass es eigentlich nicht in
anderer Bedeutung verwendet wird. Ausnahme ist lediglich die Redewendung "aller Jubeljahre".
Jüngst hörte man, dass Papst Franziskus ein solches Kirchenjahr ausgerufen hat, das
Jubeljahr der Barmherzigkeit. (08.12.2015 - 20.11.2016).
Mit dem Wort "Jubiläum" hat das "Jubeljahr" nichts zu tun, auch nicht mit "jubeln" oder "jubilieren" oder dem zu diesen Verben gehörenden Substantiv "Jubel".
Andersherum wird ein Schuh daraus: Das Wort "Jubiläum" leitet sich als sekundäres Wort ab von "Jubeljahr" - als im übertragenen Sinne in Erinnerung an ein besonderes Ereignis begangenes Fest.
(Das ist wie mit der "Glühbirne", die nach der Frucht "Birne" benannt wurde. Die "Birne" hat jedoch nichts mit dem Wort für den Leuchtkörper zu tun.)
(
siehe de.wikipedia.org/wiki/Jubiläum ).
Doch die Sprache ist im Fluss. Was im Katholischen im engeren Sinne gebraucht wird, erlebt nun vielleicht eine Entwicklung hin zu einer neuen Bedeutung im weiteren Sinne: als Synonym für "Jubiläumsjahr" und gleichzeitig als
"Jahr, in dem Anlass zum Jubeln besteht".
Auch Google kann sich wehren, so viel es will: das "Googeln" als "suchen im Internet" hat sich als Allgemeinbegriff durchgesetzt. Deshalb wird auch die katholische Kirche nicht auf der Worthoheit bestehen können.
Noch ist es allerdings aus meiner Sicht bedenklich, vom Jahr 2017 als "Jubeljahr" zu sprechen.
Ich weiß nicht, ob sich die Journalistin Irina Steinmann in dem Artikel der MZ
Quelle MZ vom 30.01.2016 auf S. 9 nur ein bisschen zu weit aus dem Fenster gelehnt hat oder ob es ein Test ist, wie man das Wort "Jubeljahr" aufnehmen wird in der Öffentlichkeit. Vielleicht hat sie auch nur die beiden unterschiedlichen Bedeutungen von "Jubeljahr" und "Jubiläumsjahr" etwas durcheinander gebracht?
Oder will es die evangelische Kirche tatsächlich
den Katholiken mit ihren "Jubeljahren" gleich tun?
Wir werden sehen.
"Jubeljahr" ist so etwas ähnliches wie ein Eigenname oder ein Titel. Eine Verwendung in einem anderen Zusammenhang könnte
aus Sicht der katholischen Kirche zwischen "Plagiat" und "Missbrauch" interpretiert werden. Es ist vielleicht sogar ein "Wortdiebstahl".
Man kann es aber auch als
"Nachäffen" ansehen, als "Anmaßung" oder als kleine, sehr
versteckte Stichelei der Lutheraner gegenüber der katholischen Kirche, so nach dem Motto: "Ätsch, was ihr könnt, können wir schon lange! Und wir können das einfach so ausrufen, dafür wird bei uns nicht einmal eine päpstliche Autorität gebraucht!"
Zurück zum Artikel, in dem ich auf das Wort gestoßen wurde. Ich zitiere die entsprechende Stelle:
Pünktlich vor der heißen Phase des Reformationsjubiläums, nämlich im April 2017, soll dieser Teil der Wallanlagen dann komplett fertig sein, inklusive des Innenhofes vom Lutherhaus, das im Jubeljahr naturgemäß einen Besucheransturm erleben wird. Ich bin einmal gespannt, wie es mit dem "Jubeljahr" weiter geht. Diverse Ergänzungen des obigen Textes folgen hier:
18.03.2016
Da geht es ja schon los, dieses Mal in "geballter Ladung": auf der "Startseite" der heutigen Mitteldeutschen Zeitung (Lokalausgabe Wittenberg-Gräfenhainichen) prangt in der Ankündigungszeile:
Auf S. 11 kann man dann wieder einem Beitrag von Irina Steinmann lesen.
Dieser trägt die Überschrift, deren erste Zeile riesig-groß-zweizeilig daherkommt:
Die Reformation kehrt zurück
2017 Das Jubeljahr wird konkreter. Mehrere Broschüren informieren über geplante Veranstaltungen.
18.03.2016 - am Rande angemerkt
In einem Artikel der Zeitung "Die Welt" (online) vom 28.01.2011
"Wem gehört Luther?" hat der lutherische Landesbischof Bayerns, Johannes Friedrich, kurz vor der Audienz beim damaligen Papst betont:
"Auch wir wollen das Jahr 2017 nicht als triumphales Jubeljahr feiern."
Da war man also seitens der evangelischen bzw. lutherischen Kirchenvertreter schon voll dabei, das Wort "Jubeljahr" zu verwenden.
Liebe
Irina Steinmann, ich leiste Abbitte!
11.05.2016
Na also, habe ich es nicht vorhergesehen? Jetzt wird das "Jubeljahr" richtig groß, ganz groß gedruckt. In der heutigen MZ auf S. 22 heißt die Überschrift des Artikels von Günter Kowa
"Alles klar fürs Jubeljahr"
und sieht im Original so aus:
PS: Hier ist noch eine weitere hübsche Sprachspielerei versteckt: Die
"Ruhmeshalle der Reformation" - man erwähnt diese alte Bezeichnung für die Schlosskirche
[siehe auch WITTENBERG VON A BIS Z#SCHLOSSKIRCHE] und betont doch im Artikel, dass man sie heute nicht mehr so nennen will. Weil
"sich die Allianz von »Thron und Altar« erledig" hat.
Hat sie das? Haben wir eine
Trennung von Staat und Kirche in Deutschland?
Déjà-vu: An dieser Stelle des Textes sehe ich doch in Gedanken tatsächlich den
Sessel in der Art eines Thronsessels vor mir, auf dem
Pfarrer Joachim Gauck bei der Unterzeichnung eines Dokuments saß. Es war
im Zusammenhang mit seiner Wahl zum Bundespräsidenten. Seine Ernennungsurkunde war es wohl nicht - leider finde kein Foto mehr im Internet mit diesem "Thron".
Das war ein urkomische Bild, doch leider ist es aus dem Internet verschwunden.