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MENSCHENBILDER

DAS CHRISTLICHE MENSCHENBILD


Für mich hatte dieses Menschenbild immer etwas Bedrückendes. Dass der Mensch sozusagen von Geburt an sündig und böse sein soll, wollte ich nicht wahrhaben, entsprach auch nicht im geringsten dem, was ich bei anderen Menschen erlebte, bei den vielen lieben, netten, gütigen, freundlichen, sorgenden, helfenden, anteilnehmenden, fröhlichen Menschen, die ich das Glück hatte, im Laufe meines Lebens kennen zu lernen.

Vielleicht war es sogar dieses mir in der Kindheit in der "Christenlehre"  vermittelte deprimierende Menschenbild, von dem ich mich mit meinem späteren Kirchenaustritt befreien wollte.
Die andere mir damals angebotene Weltanschauung pries ein ganz anderen Menschenbild von verlockendem Optimismus.


Die Kirche fragt nach dem Bösen und nach der Moral in der heutigen Gesellschaft:

Der Anlass für diese Seite war die in der hiesigen Evangelischen Akademie
(Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt e. V., Sitz Lutherstadt Wittenberg, der Link führt direkt zu den Veranstaltungsinformationen - ev-akademie-wittenberg.de/node/2830 »externer Link«)
veranstaltete Sommerakademie vom 07. bis 13.08.2016, die sich auch mit der Frage nach dem "Bösen im Menschen" auseinander gesetzt hat.

Das Hauptthema ist:
Gehirn, Gesellschaft, Gott und Google – Was bedingt die Moral in einer modernen Gesellschaft?

Zwei Vorträge - am 09.08. und 11.08.2016 - sind öffentlich und ohne Eintrittsgeld zugänglich.
- Satanische Konstellationen. Zur Logik des Bösen und seinen Masken
- Wissen oder fühlen wir, was gut ist? Zur Rolle der Emotionen in der Moral

Hier die beiden Vortragsankündigungen aus der Website der  Evangelischen Akademie (Zitate):
(Bei dem Referenten "K.Berner" für den ersten Vortrag handelt es sich um
Prof. Dr. Knut Berner, Ruhr-Universität Bochum, Evangelisch- Theologische Fakultät, und Evangelisches Studienwerk e.V. Villigst.
Die Referentin "E. Weber-Guskar" des zweiten Vortrages ist
Prof. Dr. Eva Weber-Guskar, Institut für Philosophie, Humboldt Universität zu Berlin.)

Satanische Konstellationen. Zur Logik des Bösen und seinen Masken


K. Berner
Das „Böse“ hat viele Gesichter; es lässt uns erschauern und fasziniert zugleich. Vielfältig sind die Deutungsversuche und erforderlich ist eine klare Definition. Was ist das Böse? Einerseits wird es häufig als der Inbegriff des moralisch Falschen interpretiert und andererseits als eine zerstörerische Kraft, die sich oft im Mantel der Moral präsentiert. Und was ist die Quelle des Bösen? Ist es eine persönliche Charaktereigenschaft oder Psychopathologie, die da zutage tritt – oder ist das Böse umgekehrt Ausdruck von Charakterlosigkeit? Während die Einen das Böse im Menschen, in der Gesellschaft oder beider Wechselwirkung verorten, sehen die Anderen in ihm eine „Grundkraft“, die das Weltgeschehen beeinflusst und z.B. personifiziert wirksam wird. Im Rahmen eines Vortrags mit anschließendem Gespräch wollen wir uns gemeinsam dem Phänomen des Bösen, seinem Wesen und seinen Erscheinungsformen im menschlichen Sein und Handeln annähern.

Wissen oder fühlen wir, was gut ist?
Zur Rolle der Emotionen in der Moral

E. Weber-Guskar Scham, Schuld, Empörung, Dankbarkeit und Achtung … Jeder kennt solche Gefühle, die nur vor dem Hintergrund verinnerlichter Werte zu begreifen sind. Aber wie genau verhalten sich Gefühle und Moral zueinander? Sind Gefühle ein Ausdruck von moralischen Urteilen oder – umgekehrt – für diese konstitutiv? Welche rationalen und emotionalen Anteile hat Moral? Mit solchen Fragen wollen wir uns im Rahmen eines Vortrags mit anschließendem Gespräch beschäftigen. In die Suche nach Antworten sollen auch Erkenntnisse über die Moralentstehung in der Menschheitsgeschichte einbezogen werden.
Bereits Luther wusste:“Dass die Obrigkeit böse und unrecht ist, entschuldigt keine Zusammenrottung noch Aufruhr. Denn die Bosheit zu strafen, das gebührt nicht einem jeglichen, sondern der weltlichen Obrigkeit, die das Schwert führt”.(Dieses Zitat von Luther habe ich - leider ohne Original-Quellenangaben - im Jahr 2016 gefunden in https://hpd.de/artikel/10950 - auf Seite 2)
Die innere Unlogik in diesem Luther-Zitat zeigt das  ganze Dilemma der Kirche mit "gut und böse".

Will man sich der Frage nach "dem Bösen" aus christlicher Sicht nähern, kommt man um Begriffe wie "Erbsünde", "Sünder", Himmel und Hölle (Fegefeuer), Leid und Gottes Verantwortung für seine Schöpfung nicht herum:
Wenn alles, was geschieht, in Gottes Hand liegt, wenn er also zuständig ist für alles Leid und Elend auf der Welt, dann muss man sich auch fragen, ob das Gottbild eines "guten Gottes", eines "liebenden Gottes" überhaupt stimmt.

Die Kirche und das christliche Menschenbild in der Geschichte

Es gibt einen Holzschnitt von Lucas Cranach d. J., der eine äußerst furchtbare Situation darstellt: Man sieht vier Menschen, die als ›Hexen‹ bzw. ›Hexer‹ getötet wurden. Sie wurden nicht auf dem Scheiterhaufen zu Asche verbrannt. Die Toten sind noch zu sehen: wie sie auf einem Holzbalken sitzen, angebunden an einem Balken. Sie wurden verkohlt, langsam zu Tode geräuchert. Schon beim Schreiben dieser Worte bekomme ich eine Gänsehaut. Das ist kein Phantasiebild von Cranach, dass ist die Abbildung eines hier in Wittenberg wirklich geschehenen Ereignisses, das er als Augenzeuge miterlebt hat.
Die ›Hexe‹ hieß Prista Frühbottin
.
Auf einer Wikipedia-Seite kann man ihre Geschichte erfahren, auch die erwähnte Abbildung von Cranach findet sich dort:
        Prista Frühbottin - Wikipedia externer Link

Diese und andere Gräueltaten, im Namen Gottes begangen, beschäftigen mich noch immer. Es ist ein unerklärlicher Widerspruch zwischen der menschlichen Lehre des Religionsgründers Jesus und dem, was Menschen in den Jahrhunderten danach im Namen dieses Menschen anderen antun konnten.
Brutalität, Grausamkeit, Gewalt, Bösartigkeit, Gefühlslosigkeit, Sadismus, Hass - das sind die Wörter, die mir für diese schändlichen Taten einfallen.
Diese Menschenverachtung fand in der Judenvernichtung im 20. Jahrhundert durch deutsche Christen (fast die gesamte deutsche Bevölkerung gehörte einer christlichen Kirche an, auch die Nazis) ihren Höhepunkt.
Dass sie sich in ihrem Antisemitismus ausgerechnet auf Martin Luther beriefen, war kein "Missbrauch" von dessen antijudaischen Aussagen, es war die konsequente Folge aus dem im christlichen Deutschland seit Jahrhunderten wuchernden  Feindbild gegen Anhänger einer anderen Religion. Es war Teil des christlichen Menschenbildes.

Wie konnte es zu diesem unfassbaren Widerspruch zwischen "Theorie und Praxis", zwischen der christlichen Lehre und dem Handeln von Christen kommen?
Auch das ist eine Frage, die im Zusammenhang mit dem christlichen Menschenbild gestellt werden muss.

Die Gefühlskälte gegenüber den ertrinkenden, sterbenden Flüchtlingen heute ist ein weiteres Zeichen des von christlichen Kirchen und von Christen vertretenen Menschenbildes eines elitären Christen, der dank seines Glaubens anderen Menschen überlegen ist.
Die Not der Menschen in der Welt ist ein Zeichen des Versagens dieses Menschenbildes selbst.
Tätige Nächstenliebe? Die sieht in meinen Augen anders aus.


Zurück zu den geschichtlichen Ereignissen:
Ich frage mich: Was sind das eigentlich für Menschen, die zu solchen Taten fähig sind?
Wie und warum sind sie so geworden? Warum können sie  andere Menschen so quälen und so bestialisch ermorden?

Ein Herrn U. P., nach der Wende aus dem Westen zu uns gekommen, arbeitete im Kulturbereich der Stadt. Der wollte einmal in der Kreisvolkshochschule einen Vortrag halten über die Motive der Menschen, die sich aktiv an der ›Hexenverfolgung‹ beteiligten.
Er erklärte es mir so:
Die Menschen damals waren wirklich des Glaubens, dass das "echte" ›Hexen und Hexer‹ seien, die man töten müsse. Damit würde man ihren  Seelen helfen, doch noch in den Himmel kommen zu können.

Diese Version war für mich neu:
›Hexenverbrennung‹ als Seelenrettung?
Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen.