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ZWANZIGSIEBZEHN - DER 500. JAHRESTAG DES BEGINNS DER REFORMATION

REFORMATION UND SPIRITUELLE BEDÜRFNISSE oder:
Die vertane Chance auf ein
"spirituelles Weltzentrum" in Wittenberg



"Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein,
oder es wird keinen Christen mehr geben."


An diesem Satz des katholischen Theologen Karl Rahner messe ich alles, was innerhalb christlicher Kirchen, Freikirchen, Gruppen, Strömungen aktuell geschieht.

Hier, im Rahmen dieser Themenstellung, geht es mir um die Frage, ob die christlich-evangelische Kirche die heutigen spirituellen Bedürfnisse der Menschen überhaupt kennt, geschweige denn, sie befriedigen kann.

Grund zur Annahme, dass im Rahmen der Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags von Martin Luther diese Frage überhaupt keine Rolle spielen wird, habe ich mit jedem Jahr seit Beginn der "Lutherdekade", mit jeder Aktion, die in Vorbereitung des Jubiläums gestartet wird:
Da kommt nichts an spiritueller Hilfestellung für die Menschen! Schon das Wort "Spiritualität" scheint suspekt zu sein.

Das Dossier der Zeitschrift "Publik-Forum" aus dem Jahr 2006 über das "Abenteuer Spiritualität" ist leider ausverkauft.

Ebenfalls aus diesem Jahr stammt eine Studie der Identity Foundation über "Spiritualität in Deutschland". Darin wird festgestellt, dass nur noch 10 Prozent der Bevölkerung zu den "Traditionschristen" zu rechnen ist, während 35% als "religiös Kreative" eingestuft werden (das sind solche, die sich aus verschiedenen Religionen, Weltanschauungen und Philosophien ihr eigenes Weltbild, ihren eigenen Glauben zusammenstellen). Darüber hinaus gelten 15 % als "spirituelle Sinnsucher". Diese schöpfen aus Mystik, Esoterik und aus humanistischen Ansätzen.
Der große "Rest" (ca. 40%) fällt in die Gruppe der "unbekümmernten Alltagspragmatiker".
In Deutschland sind 65%  der Bürger Mitglieder christlicher Gemeinschaften.
(Die Pressemitteilung der Identity Foundation zu dieser Studie - eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse  auf 5 Seite - ist noch abrufbar unter: identity-foundation.de/images/stories/downloads/ PM_Kurz_Studie_Spiritualitaet.pdf »externer Link«)

Von diesen Erkenntnissen ist man im Zuge der Vorbereitungen des Reformationsjubiläums hier in Wittenberg und innerhalb der EKD offenbar weit entfernt.

Spiritualität, Spiritismus, Spiritualismus (Theologie) ("mystischer Spiritualismus")- die Vielfalt der Begriffe will erst einmal erarbeitet werden. Wenn man dann noch sieht, dass unter "Spiritualität" jeder etwas anderes versteht, wird es schwierig, über spirituelle Bedürfnisse zu schreiben.

Schon Martin Luther hatte offenbar nichts damit zu schaffen,  nannte diese "Außenseiter der Reformation" abwertend  "Schwärmer" bzw. "Schwarmgeister". (siehe Wikipedia über Spiritualismus (Theologie) de.wikipedia.org/wiki/Spiritualismus_(Theologie) »externer Link« )

Die aus meiner Sicht beste Definition von Spiritualität habe ich im "Yogawiki" gefunden (Hervorhebungen im Text von mir - B.K.): Spiritualität (von spiritus: Geist) ist der Weg des geistigen Übens mit dem Ziel der Vereinigung mit einer höheren Wirklichkeit (Gott, Transzendenz, inneres Glück). Spiritualität verbindet alle Religionen miteinander - und kann auch ohne konkrete Religionsangehörigkeit geübt werden. Spiritualität heißt Ausrichtung des Lebens auf die Erfahrung einer höheren Wirklichkeit. Spiritualität heißt, nach einem höheren Sinn zu streben und sein Leben nach diesem höheren Sinn auszurichten.
(wiki.yoga-vidya.de/Spiritualität »externer Link«)

Wie schön wäre es gewesen, wenn die Verantwortlichen auf die Idee gekommen wären, aus Wittenberg ein spirituelles Weltzentrum zu machen, und den 500. Jahrestag der Reformation zu nutzen, über dieses neue Zentrum  weltweit zu informieren.

Damit meine ich ein Zentrum, in dem alle Religionen und Weltanschauungen eine Bildungs- und Informationsstätte, vor allem aber einen Platz des friedlichen Gedankenaustausches finden können.
Dieses Zentrum könnte eine Begegnungsstätte für alle Menschen sein, die auf spiritueller Suche sind. Hier könnten überkonfessionelle Beratungen, Tagungen und Workshops stattfinden.
Es könnten eine Bibliothek, Archive und Ausstellungen zur Geschichte, Gegenwart und zur spirituellen Zukunft der Menschheit entstehen.
Die Weltgemeinschaft, die Menschheit braucht einen solchen Ort DRINGEND!

Ein solches Signal aus Wittenberg für das friedliche Zusammenleben aller Religionen und Weltanschauungen wäre eine würdige Konsequenz, die man aus den "Lehren der Geschichte", speziell den Lehren der Reformation hätte ziehen können.
Diese einmalige Chance ist vertan worden.
Ich glaube, dass die evangelische Kirche für ein solches zukunftsweisendes Projekt heute noch gar nicht reif genug ist.

Ich bin mir aber sicher: Ein solches Zentrum wird entstehen - vielleicht in Rom oder in Mekka, vielleicht in Jerusalem oder in Peking oder an einem anderen Ort auf der Welt - und es wird bald entstehen.
Pech für Wittenberg.