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WISSENSCHAFTS-GESCHICHTE

AUS DER MEDIZIN-GESCHICHTE

Natürlich erwartet Sie hier kein kompletter Ausflug in die Medizingeschichte.

Die kleine Geschichte, die mich angeregt hat, diese Seite anzulegen, nennt sich
"Der Blatternkauf von Trebitz" und handelt von einer Zeit, als es noch keine Pockenschutzimpfungen gab.

Auslöser war außerdem ein aktueller Artikel über Argumente gegen das Impfen.
(siehe dazu  WORTSAMMLUNG VON A BIS Z - I#impfen, Impfungen - in SPRACHLIEBE)
Allgemein bekannt dürfte sein, dass dank der Impfkampagnen und anderer Maßnahmen die Pocken als Krankheit ausgerottet werden konnten.

Ein dritter Anlass, diese Geschichte zu veröffentlichen, war ein Beitrag in der MZ Quelle MZ vom 05.10.2015, auf S. 8, der Kinderseite "Spielplatz", auf der den Kindern von Edward Jenner erzählt wurde, der "das Prinzip der Schutzimpfung erfunden" hat.
Diese Aussage möchte ich relativieren mit der Geschichte vom "Blatternkauf von Trebitz".  ("Blattern" war der alte Name für die Pockenkrankheit.) Das darin beschriebene Anwendungsprinzip muss man nicht "Schutzimpfung" nennen. Doch ich vermute, dass Jenner es ebenfalls kannte.
Im weitesten Sinne ist eine Impfung das vorsätzliche Übertragen von i. a. abgeschwächten Krankheitserregern auf Gesunde, um deren Immunsystem zur Antikörperbildung anzuregen.

- Wie die Kinderseite der MZ Edward Jenners Leistung beschreibt
- Der Blatternkauf von Trebitz
- PS: Wer war Peter Plett?
  Ein Text über einen Vorläufer von Jenners - von Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Kolenda

Wie die Kinderseite der MZ  Edward Jenners Leistung beschreibt

Zum Verständnis meines Anliegens in diesem Fall muss ich den kleinen Text aus der MZ wörtlich zitieren: Engländer erfindet erste Impfung
Im Herbst und Winter ist wieder Grippezeit. Viele Menschen lassen sich deswegen vorsorglich impfen. Aber wer erfand eigentlich die Impfung? Das war ein Engländer namens Edward Jenner. Er wagte 1796 etwas Ungeheuerliches: Er nahm von einer Kuh, die an Pocken erkrankt war, aus einer ihrer Wunden Schleim und steckte damit einen kleinen Jungen an. Der wurde aber nicht krank, sondern bildete Abwehrkörper, die ihn von da an vor den Pocken schützten. Damit hatte Jenner das Prinzip der Schutzimpfung erfunden.

Natürlich war das, was Jenner damals tat, eine Pionierleistung, die höchste Anerkennung verdient. Er hatte anfangs einen äußerst schweren Stand unter seinen Kollegen, wurde öffentlich lächerlich gemacht.  
Ausführliche Informationen über Edward Jenner und die Pocken gibt es z. B. in der Wikipedia:
de.wikipedia.org/wiki/Edward_Jenner und de.wikipedia.org/wiki/Pocken »externer Link«

Was mich an der Darstellung in der MZ stört, ist die Behauptung, er habe "das Prinzip der Schutzimpfung" erfunden. Das ist sachlich nicht korrekt.
(Auch so genannte "populärwissenschaftliche" bzw. kindgerechte Darstellungen von Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte dürfen in der Vereinfachung nicht so weit gehen, dass wichtige Zusammenhänge vernachlässigt werden und dadurch ein falsches Bild entsteht.)
Wie die Wikipedia schreibt, gab es bereits vorher in der Türkei Impfungen mit intakten Pockenviren, in England mit Kuhpockenlymphe.

Und es gab das, was in der folgenden Geschichte beschrieben wird und was meiner Meinung nach ebenfalls Teil der Medizin-Geschichte rund um die Erfindung der Pockenschutzimpfung sein sollte - die Erfahrungen im "einfachen Volk": 

Der Blatternkauf von Trebitz

Meine Notizen zu dieser Geschichte, die ich vor etlichen Jahren aus einem entliehenen Buch A1 anfertigte, gebe ich hier gern wieder. Einiges hatte ich zusammenfassend notiert, einiges wörtlich:

„Der Blatternkauf von Trebitz“
Darin wird erzählt, wie der Pfarrer Spitzner sich verwundert, bei einer Familie, die an Blattern (Pocken) erkrankt sein sollte, so muntere Kinder zu finden.„Verwundert sprach er mit der Mutter, die nur zögernd antwortete und dann aber sagte, daß man für drei bis sechs Pfennige von den Nachbarsleuten, deren Kinder ebenfalls die Pocken hatten, einzelne Blattern gekauft hätte. Darauf wurde bei ihrem Kind am Ellenbogen solange gerieben, bis eine wunde Stelle kam, auf der dann in einem Lappen die Blattern festgebunden wurden. Der gutartige Verlauf der Krankheit wäre damit gewährleistet. Spitzner erfuhr weiter, daß die Kinder nur so viel Blattern im Krankheitsverlauf bekämen, wie man solche gekauft und angebunden hätte. Ferner müßte man vorher dem anfälligen Kind die Blattern einzeln in die Hand zählen. Später stellte Spitzner fest, daß der Blatternkauf auch anderswo, so in Schmiedeberg und im Amt Torgau allgemein üblich war.“ Eine Jahreszahl, wann der Pfarrer das beobachtete steht nicht dabei, doch muss das vor dem Jahr 1796 gewesen sein, als der Arzt Edward Jenner - so schreibt Heinrich Kühne - „anstelle des bisher geübten Menschenpockenbelzens die Kuhpockenimpfung einführte …“

PS: Wer war Peter Plett?

Eine Notiz vom 17.03. 2021
Gestern bin ich ausgesprochen zufällig auf diesen Text gestoßen:
https://www.heise.de/tp/features/Medizingeschichte-nacherlebt-Wer-war-Peter-Plett-5987457.html

Peter Plett (1766 - 1823) - so der Artikelschreiber Prof. Klaus-Dieter Kolenda - hat bereits vor Edward Jenner die Kuhpockenimpfung durchgeführt - in der holsteinischen Probstei. Eine Gedenktafel in Stakendorf erinnert an den Pionier der Pockenschutzimpfung.

In dem Text finden sich zahlreiche weitere Informationen und vor allen Dingen ein Verweis auf ein Buch, das ein Nachfahre gleichen Namens über Peter Plett geschrieben hat.
Diese Quellenangaben übernehme ich gern:

Peter C. Plett:
Peter Plett 1766- 1823.
Lehrer in der Probstei und Entdecker der Kuhpockenimpfung.
Konstanz 2006,
Druckerei Hergeröder (Tel. 04344 / 1300),
Bahnhofstr. 8, 24217 Schönberg,
150 Seiten, DIN A 5 mit farbigen Abbildungen
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  Anmerkung A1 (19.03.2021)
Die Geschichte vom "Blatternkauf zu Trebitz" habe ich aus diesem Buch, S. 39:
Heinrich Kühne erzählt
Schnurren und Schwänke aus dem alten Wittenberg
Das Verweilbuch zum Schmunzeln
ISBN 3-933028-08-6
DREI KASTANIEN VERLAG
1. Auflage 1998

ACHTUNG - es gibt ein anderes Buch ähnlichen Namens von 1999, ebenfalls 1. Auflage:
ISBN 3-933028-18-3, das den Titel:
Schnurren und Schwänke aus dem alten Wittenberg
Das GROSSE Verweilbuch zum Schmunzeln
trägt.