banner gfp - Nachdenken über GRUNDFRAGEN DER PHYSIK UND DER WISSENSCHAFT
STRUKTUR DER MATERIE

ALLES WASSERSTOFF?

In der offiziellen Geschichte des Atombegriffs bzw. der Atommodelle tauchen viele höchst interessante Ideen nicht mehr auf, da sie sich aus Sicht der heutigen Theorie als Sackgassen erwiesen haben.

Sind alle Atome aus einem einzigen Grundbaustein, dem Wasserstoffatom (ein Elektron und ein Proton) zusammengesetzt? Ist dieses Atom sozusagen der "Urstoff" der Materie?

Was hat es mit den so genannten "Dyaden", einer uralten asiatischen Vorstellung von der Struktur der Materie, auf sich?
Wie hängen sie mit der "Wasserstoff-Hypothese" zusammen?


Wasserstoff als Grundbaustein aller Materie?
Über die "Dyaden"

Wasserstoff als Grundbaustein aller Materie?
Ein Blick in die Geschichte dieser Hypothese

Vor rund  200 Jahren waren die Vorstellungen von der Struktur der Materie schön einfach. Man stellte sich u. a. vor, dass die Atome der übrigen Elemente des Periodensystems sozusagen aus Wasserstoffatomen zusammengesetzt seien.
Das war eine bis ins beginnende 20. Jahrhundert im "Volkswissen" angekommene Vorstellung, die vielen Menschen offenbar sehr gut gefiel.

Zufällig stieß ich im Jahr 2016 auf ein Beispiel für diese Aussage:
Friedrich Wolf, Arzt und Schriftsteller, schildert dieses Wissen in seinem Buch "Die Natur als Arzt und Helfer"   zur Quellenangabe, S. 481 so (Hervorhebung im Text von mir - B.K.):„Eine der interessantesten Fragen der Heilkunde: die Frage nach der Einheit der Krankheiten! Seltsamerweise ist auch in einer anderen Wissenschaft das Kästchensystem jüngst erschüttert, in der Chemie: der alte Gedanke des Urelements steigt wieder auf, die Möglichkeit, die siebenundachtzig verschiedenen chemischen Elemente auf das einfachste Atom: das Wasserstoffatom zurückzuführen. Auch die moderne Heilkunde strebt aus dem verwirrenden Vielerlei der Diagnostik wieder zur Einheit der Anschauungen und der Behandlung.“
Reichlich einhundert Jahre zuvor hatte ein gewisser William Prout (1785 - 1850) eine wissenschaftliche Hypothese aufgestellt, die diesen Gedanken bereits formulierte:
(Ich zitiere aus dem Wikipedia-Artikel über Willliam Prout »externer Link« - Stand 19.04.2017, weiterführende Links nicht mit übernommen)Im Jahr 1815 stellte er – ausgehend von den damals bekannten etwa 20 Atommassen – die Hypothese auf, dass die Atommasse eines jeden Elements ein ganzzahliges Vielfaches der Atommasse des Wasserstoffs sei. Das Wasserstoff-Atom sei also das einzig fundamentale Teilchen und die Atome der anderen Elemente seien aus verschiedenen Gruppierungen von Wasserstoff-Atomen zusammengesetzt. Die angenommene Ganzzahligkeit stand zwar schon seit 1803 mit den von John Dalton veröffentlichten Atommassen in Widerspruch und wurde auch von späteren genaueren Messungen der Atommassen widerlegt. Prouts Ansatz versprach jedoch einen so grundlegenden Einblick in die Struktur des Atoms, dass Ernest Rutherford 1920 dem ersten entdeckten Baustein der Atomkerne den Namen Proton (griech. proton „das Erste“) auch deshalb gab, um damit zugleich William Prout zu ehren. Genügt diese Bemerkung - dass diese exakte Vielzahligkeit der Atommasse des Wasserstoffs nicht mit den Messungen in Übereinstimmung stand - zur Widerlegung dieser Hypothese?
Es erweckt eher den Anschein, dass der Grundgedanke - die Zurückführung auf einen einzigen "Urstoff" - andere Hypothesen störte und deshalb nicht mehr verfolgt wurde.

Noch bin ich (09.05.2017) beim  weiteren Recherchieren, denn "es taten sich Abgründe auf": wichtige erkenntnistheoretische Grundvoraussetzungen für die physikalische Betrachtung der Struktur der Materie sind heutzutage gar nicht mehr bekannt. So kann man, wenn man deren  Fragestellungen  nicht kennt, die Antworten der Physik nicht wirklich verstehen.

Es erinnert ein wenig an den Wechsel der Betrachtungsweise durch Kopernikus weg vom geozentrischen und hin zum heliozentrischen Bild unseres Planetensystems. Dieser Qualitätssprung in der Sichtweise wird häuft damit herabgesetzt, dass besonders betont wird, Kopernikus habe noch die Kreisbahnen favorisierte und nicht (auch noch) erkannt, dass die Bahnen der Planeten um die Sonne eigentlich Ellipsen sind.
"Nein, Kopernikus hatte sich ja mit seinem Bild von den Kreisbahnen um die Sonne geirrt." jubelt der Ignorant.

So ähnlich sehe ich auch die Herabsetzung von Williams Prouts Hypothese:
Die Bindungsenergien innerhalb der Atomkerne - die zu seiner Zeit wohl noch keine Beachtung fanden - werden bei den "exakten Messungen" der Atommasse nicht berücksichtigt. Sie führen jedoch zur Abnahme der gemessenen Masse gegenüber der theoretisch aus der Anzahl der Kernbausteine berechneten.
Also ist es gar keine "Widerlegung" von Prouts Hypothese. Die Annahme der "Ganzzahligkeit" ist vergleichbar mit den als Kreise angenommen Planetenbahnen.
Eine Korrektur (die Berücksichtigung der Bindungsenergien) macht die Hypothese von Prout wieder denkbar und die Gegenargumentation zum Ausdruck der damals noch beschränkten Atomvorstellungen.

Inzwischen hat seine Hypothese im Zusammenhang mit dem Wissen um die Isotope eher eine Bestätigung als eine "Widerlegung" erfahren.
Die Hypothese von Prout hätte heute mehr Anerkennung und stärkere Einbeziehung in die Geschichte der Vorstellungen von der Struktur der Materie verdient.
(siehe hierzu auch die Seite über NEUTRON UND KERNELEKTRON)

Über die "Dyaden"

Mit der asiatischen Vorstellung von der Dyade wurde versucht, das Problem des Übergangs vom einzelnen punktförmig gedachten Atom zum ausgedehnten Körper zu lösen, indem man zwei solche Punkte zur Dyade verband. Erst diese Dyaden waren nun durch Anlagerungen aneinander in der Lage, die realen Dinge zu bilden. Das besonders Interessante an der Dyaden-Vorstellung ist, dass sie eigentlich nur aufgrund der Spezifik des Sanskrit denkbar ist, denkbar im wahrsten Sinne des Wortes. Das Sanskrit besitzt zwischen dem Singular (der "Ein-Zahl") und dem Plural (der "Viel-Zahl") noch einen "voll ausgebildeten Dual", eine spezifische Form, die Zweiheit als Einheit zu denken.

Dieses "Dyaden-Modell" wirft nebenbei die Fragen auf, welche Rolle die Sprache bei der Bildung physikalischer Theorien spielt und ob es eine Art "optimale" Sprache bzw. weniger geeignete Sprachen gibt zur physikalischen Weltbeschreibung.
Noch anders: vielleicht ist es auch vorteilhaft, gleiche physikalische Erkenntnisse in den verschiedenen Sprachen zu denken. Die unterschiedlichen Worte mit ihren teilweise schwer übersetzbaren Bedeutungen, die unterschiedliche Bedeutung der Begriffe und die verschiedenartigen Formen der Vernetzung dieser Worte und Begriffe könnte zusätzliche Erkenntnisse liefern.

Der Zusammenhang dieses "Dyaden-Modells" mit der europäischen Atomtheorie und dem Wasserstoffatom
Zwischen beiden Modellen sehe ich dahingehend eine Parallele, dass beide zwei "Teilchen" benötigen, ehe es überhaupt zu einer strukturierten räumlichen Ausdehnung kommen kann: Auch das Wasserstoffatom als "Elektron-Proton-Paar" ist im weitesten Sinne ein "dyadisches Modell":
Aus Protonen allein bzw. Elektronen allein ist eine zusammenhängende Struktur des Stofflichen nicht realisierbar.
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Ausführlicher informiere ich über die asiatischen Atomvorstellungen und das  Dyaden-Modell im LESESTOFF (GFP) » GESCHICHTE DER PHYSIK - EIN ABRISS.
Dort werden einige Textpassagen aus dem Buch "Geschichte der Physik - Ein Abriss", (Hg. Wolfgang Schreier, erschienen im VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1988) wiedergegeben.